Fekter/Niederndorfer und das „Kommando Schottergrube“
Familiengeschichte. Im zwangsverpachteten Betrieb der heutigen Innenministerin in Attnang-Puchheim arbeiteten KZ-Häftlinge.
Maria Zimmermann Wien (SN). In der Firmenchronik der Kieswerke Niederndorfer steht über die Zeit von 1940–43: „Während der Kriegszeit war die Schottergrube an den deutschen Staat verpachtet. Eine Waschanlage wurde aufgebaut. Politische Gefangene (rot Spanier) wurden als Schottergrubenarbeiter herangezogen.“ Darunter klebt ein Foto, auf dem „Rotspanier“ – so nannten die Nazis republikanische Spanier, die gegen Franco kämpften – zu sehen sind: Häftlinge in einem der rund 50 Außenlager des KZ Mauthausen.
Ein paar Seiten weiter, 1956, ist die Geburt eines Mädchens vermerkt – die Geburt der heutigen Innenministerin Maria Fekter. Sie war es auch, die diesen Teil ihrer Familiengeschichte nun öffentlich machte: In der Schottergrube ihrer Familie in Attnang-Puchheim, die von 1940–1943 an die Nationalsozialisten zwangsverpachtet gewesen sei, hätten KZ-Häftlinge des Außenlagers Vöcklabruck gearbeitet, sagte sie. „Vor ein paar Wochen“ habe sie aus ihrer für die KZ-Gedenkstätte Mauthausen zuständigen Abteilung davon erfahren. Ein Blick in die Chronik des Familienbetriebs brachte zusätzliche Bestätigung.
Auf der Homepage der KZ-Gedenkstätte steht unter „Außenlager Vöcklabruck 1“ (von Juni 1941 bis Mai 1942) zwar schon seit Langem, dass Häftlinge auch „in der Schottergrube in Attnang-Puchheim“ zum Einsatz kamen. Der Konnex zur Innenministerin wurde aber offenbar erst jetzt hergestellt – und auch Fekter selbst habe, wie sie sagte, bisher nie in der Firmenchronik nachgeforscht.
In dem Außenlager hat es nach jüngsten Forschungen unter anderem das „Kommando Schottergrube“ gegeben. „Zehn bis zwölf“ KZ-Häftlinge hätten im Schotterwerk zwischen 1941 und 1942 gearbeitet, sagte Fekter. In Vöcklabruck gab es in dem Zeitraum insgesamt etwa 300 Gefangene, die meist im Straßenbau eingesetzt wurden. Gedenktafel wird errichtet Das Areal der Schottergrube ist nach wie vor im Eigentum von Fekters Familie – an der Stelle der Schottergrube befindet sich heute ein Bauhof. Dort wird nun laut Fekter eine Gedenktafel errichtet.
Gestorben ist auf dem Areal offenbar niemand. Der Historiker Bertrand Perz sagte, dass die Überlebenschancen in den Außenlagern generell höher gewesen seien als im Hauptlager, für das die Devise gegolten habe, dass kein Gefangener lebend herauskommen sollte. Nach Schließung des Lagers Vöcklabruck kamen die Häftlinge nach Ternberg zum Kraftwerksbau. Zur zwangsweisen Verpachtung von Firmen sagte Perz, das habe man sich in der NS-Zeit meist „nicht aussuchen“ können. Aufgrund der neuen Fakten gebe es noch viel Recherchearbeit.
Zur Geschichte des Außenlagers Vöcklabruck
Am 6. Juni 1941 wurden etwa 300 Häftlinge des Konzentrationslagers Mauthausen nach Vöcklabruck überstellt. Sämtliche waren – abgesehen von zwei Häftlingen aus dem „Deutschen Reich“ und einem Marokkaner – Republikanische Spanier.
Der Lagerälteste war ein spanischer Häftling namens César Orquín Serra, nach diesem wurde dieses Lager auch „Cäsar-Kommando“ genannt.
Die Häftlinge des Außenkommandos Vöcklabruck wurden in mehreren Arbeitskommandos in der Umgebung von Vöcklabruck eingesetzt: zu Straßenbauarbeiten in den Kommandos „Straßenbau I“ und „Straßenbau II“, zum Brückenbau in den Kommandos „Vöcklabrücke“, „Agerbrücke“ und „Tiefenweg“, zu Abbrucharbeiten im Kommando „Ringofen“ und zur Arbeit in einer Schottergrube nahe der Stadt Attnang-Puchheim. Diese Arbeiten der Kommandos standen unter der Leitung von einem oder mehreren Zivilisten.
Die in vier Baracken untergebrachten Häftlinge wurden von etwa 30 SS-Männern bewacht. Einem Zeugenbericht zufolge wurde auch in Vöcklabruck zur Ermordung nicht mehr arbeitsfähiger Häftlinge ein „Gaswagen“ eingesetzt.
Sämtliche Häftlinge des Lagers Vöcklabruck wurden am 14. Mai 1942 in das neu gegründete Außenlager Ternberg überstellt. Das sogenannte „Cäsar-Kommando“ wurde schließlich im Herbst 1944 in den Lagerteil III des Konzentrationslagers Mauthausen überstellt, von dort nach vier bis sechs Wochen weiter in das Lager Schlier-Redl-Zipf.
l. Nebenlager Vöcklabruck – Wagrain
a. Das Lager
Geht man zeitlich von der Belegung mit Häftlingen aus, so gab es im Vöcklabrucker Stadtteil Wagrain rund ein Jahr lang, und zwar zwischen 6. Juni 194l und 14. Mai 1942, eine Außenstelle des Konzentrationslagers Mauthausen. Das Ne-benlager, das vermutlich im Auftrag der Deutschen Stein- und Erdwerke G.m.b.H., einer SS-Firma, errichtet worden war, diente als Basis für verschiedene Arbeitseinsätze in der Umgebung der Bezirksstadt, vornehmlich im Straßenbau. Die zuständige Gemeinde war die Stadtgemeinde, die verantwortliche Behörde die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck.1
Die Anlage war auf jenem Areal, auf dem sich heute zirka je zur Hälfte der Busparkplatz des Schulzentrums und die Bezirkssporthalle befinden; die damalige, freilich nicht asphaltierte Zufahrtsstraße dürfte in etwa der heutigen Einfahrt von der Bahnhofstraße Richtung Bezirkssporthalle entsprochen haben. Gleich zu Beginn dieser Einfahrt stand rechterhand ein Einmann-Häuschen für einen SS-Wachmann, wenige Meter dahinter, auf derselben Seite, die erste Baracke, die der Unterkunft der SS-Wachmannschaft diente. Einen entsprechenden Abstand weiter lag, von Stacheldraht umgeben, das eigentliche Lager mit sieben oder acht eckig angeordneten Baracken; in der Mitte war der sogenannte Appellplarz.2
Die Menschen, die in dieser Zeit hier inhaftiert waren, hatten bereits eine lange, unfreiwillige Reise mit großen Entbehrungen hinter sich.
b. Die Häftlinge
Viele der demokratisch-republikanisch gesinnten Spanier nämlich, die bis 1939 gegen die Truppen des faschistischen Generals Franco gekämpft hatten, flüchteten nach der Niederlage aus ihrer Heimat zuerst in das benachbarte Frankreich, wo sie zumeist widerwillig aufgenommen und in großflächigen Lagern untergebracht wurden. Etliche von ihnen kämpften noch einige Zeit auf der Seite Frankreichs gegen die Deutsche Wehrmacht, bis sie nach dem Sieg Nazi-Deutschlands als Kriegsgefangene nach Osten hin verschleppt wurden. Andere wurden nach der Besetzung Frankreichs durch die Hitler-Truppen von der SS in deutsche Konzentrationslager deportiert.3 In das KZ Mauthausen kamen insgesamt 10.200 republikanische Spanier, wobei von den meisten Transporten die Frauen und Kinder wieder an Franco ausgeliefert wurden. Die Männer wurden entweder in Mauthausen selbst oder in verschiedenen Nebenlagern zur Arbeit eingesetzt. Über 7.700 wurden getötet.4
Am 6. Juni 1941 wurden etwa 300 Spanier in das bereits existierende Nebenlager Vöcklabruck-Wagrain gebracht; unter ihnen waren zwei Deutsche und ein Marokkaner.5
c. Die Arbeitskommandos
Die Häftlinge der Vöcklabrucker Außenstelle waren in vier Baracken mit je zwei Stuben untergebracht. Dem allgemeinen System der SS-Lagerführung entsprach, daß für jede Stube und jeden Block Verantwortliche ernannt wurden. Die insgesamt vier Blockältesten und acht Stubenältesten hatten beispielsweise zur Aufgabe, jeweils für ihren Zuständigkeitsbereich über die Vollzähligkeit der Häftlinge Bericht zu erstatten. Aus der Mitte aller Gefangenen wurde ein Mann names Cäsar als »Lageräkester« bestimmt, dessen Namen auch das ganze Vöcklabrucker Arbeitskommando trug: Cäsar-Kommando.“ Für die Arbeit an verschiedenen Stellen war das Kommando in Gruppen, die sogenannten Arbeitskommandos, unterteilt, die für sich wiederum je einen Verantwortlichen zu stellen hatten:
den »Capo«. Die Anzahl dieser Kommandos schwankte je nach Dauer und Intensität des Einsatzes zwischen fünf und sieben. Jedem Arbeitskommando waren ein oder mehrere Zivilisten zugewiesen, welche die Aufgaben verteilten und ihre sachgemäße Durchführung überwachten.
Die wesentlichen Einsatzbereiche waren der Straßenbau und Aufräumungsarbeiten.7
Eines der Kommandos war beispielsweise zwei bis drei Wochen damit beschäftigt, den sogenannten »Ringofen« – einen alten Ziegelofen, der bis an die heutige Einfahrt der Bahnhof-straße in die B l reichte und nach dem dort der »Ringofenweg« benannt ist – abzutragen. Außerdem gab es das Wasserleitungskommando mit zirka zehn Häftlingen, die beim heute nördlich von Vöcklabruck gelegenen Wasserdepot arbeiteten und in der Folge an der Ungenacherstraße Gräben für die Wasserleitung zu schaufeln hatten. Das Kommando »Straßenbau I«, bestehend aus etwa 120 Häftlingen, mußte von der Vöcklabrücke bis zum Kukla-Berg und das Kommando »Straßenbau II« mit zirka 70 Häftlingen von der Vöckla- bis zur Agerbrücke Humus aufschaufeln und die Trasse, also das Fundament für die Straßen, errichten. Dann gab es noch die Kommandos »Vöcklabrücke« mit 20-30 und »Agerbrücke« mit 15-20 Häftlingen, die für den Brückenbau zuständig waren. Schließlich arbeiteten 10-12 Häftlinge an der Brücke über den Tiefenweg (in der Nähe von Rutzenmoos) und ebenfalls 10-12 Häftlinge in der damaligen Schottergrube in Attnang-Puchheim.8
Sonntag 13. Dezember 2009 um 20:46
Folgende Fragen, die zur Beantwortung anstehen.
Wie kommt es dass in dem Betrieb Niederndorfer & Co. Zwangsarbeiter von Dachau abkommandiert worden sind ?
Welcher Zusammenhang besteht mit Personen, die in Dachau angeordnet haben, dass Zwangsarbeiter in dieser Schottergrube arbeiten mussten, obwohl es in Dachau selbst Schotterproduktion betrieben wurde.
Ich nehme ziemlich stark an, dass ein Capo von Dachau dies fuer seine eigen Firma, die natuerlich auch zwangenteignet wurde, sogar widerrechtlich angeordnet hat.
Wo befindet sich das Archich mit den Capos, die fuer das Nazi-Regime gearbeitet haben ?
Donnerstag 3. Februar 2011 um 23:00
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